Die Märchen vom "Demogeld": Wie Rechte an Bezahl-Demonstranten glauben und warum das so irre ist wie praktisch

Irgendwo in Deutschland steht ein Antifa-Aktivist an einem regnerischen Samstag auf einer Demo gegen Rechts und denkt sich: "Bei dem Wetter würde ich eigentlich lieber zu Hause bleiben – aber hey, für 25 Euro die Stunde und ein Freibier lässt sich das aushalten!" Zumindest, wenn man der wirren Vorstellungswelt rechter Verschwörungsideologen Glauben schenkt.
Die rechte Demogeld-Fantasie: Absurder als jede Netflix-Serie
Stephan Brandner, Vize-Chef der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag und selbsternannter Demogeld-Detektiv, brachte 2016 die Sache ins Rollen. Mit feuchten Träumen von einer geheimen Antifa-GmbH, stellte er allen Ernstes eine parlamentarische Anfrage mit dem Titel "Steuer- und sozialrechtliche Behandlung von Berufs- und gewerblichen Demonstranten"1. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Ein gewählter Volksvertreter verbrät Steuergelder, um nach der steuerrechtlichen Behandlung von etwas zu fragen, das es nicht gibt!
Als man Brandner nach seinen Quellen fragte, wurde es richtig absurd. Er verwies auf "verschiedene Beobachtungen" und "Gerüchte", behauptete aber, die Sache laufe "konspirativ" ab. "Wie sonst ist zu erklären, dass bestimmte Demonstrationen nach genau einer Stunde enden", fragte er und antwortete gleich selbst: weil dann das Budget für die Demonstranten aufgebraucht sei!1 Brillante Deduktion, Sherlock! Hat er vielleicht auch schon herausgefunden, warum die meisten Konzerte nach zwei Stunden enden? Vermutlich weil den Musikern der Strom abgestellt wird.
Im rechten Demonstrationszug durch Berlin war sogar von einer "SA-Antifa" die Rede6. Das ist nicht nur geschichtsvergessen, sondern zeigt auch, wie verzweifelt die Rechten nach Feindbildern suchen, die ihre eigene braune Vergangenheit relativieren sollen.
Faktencheck: Zwischen Satire und rechter Realitätsverweigerung
Die Geschichte vom "Demogeld" hat einen Ursprung, der bezeichnender nicht sein könnte: einen Satire-Artikel der taz aus dem Jahr 2015. Darin wurde mit beißender Ironie behauptet, Antifaschisten erhielten 25 Euro pro Stunde und Freibier für Demos gegen Pegida2. Dass Rechte diese offensichtliche Satire für bare Münze nahmen, sagt mehr über ihre Medienkompetenz aus als tausend PISA-Studien.
Selbst zehn Jahre später kursieren immer noch Behauptungen über einen "Antifa-Tarifvertrag" mit Schlechtwetterzulagen und Vermummungspauschalen9. Und wer ist angeblich der Geldgeber? Je nach Bedarf wahlweise "der Staat", George Soros oder das "globale Judentum" – die rechte Fantasie kennt keine Grenzen, wenn es darum geht, antisemitische Klischees aufzuwärmen5.
"Die Partei" trieb den Witz auf die Spitze und verteilte bei Protesten gegen den AfD-Parteitag in Riesa im Januar 2025 "Demogeld" – verfremdete Geldscheine mit Martin Sonneborn und Sibylle Berg drauf. Und was passierte? Rechte Social-Media-Accounts teilten Fotos davon als "BEWEIS" für das Demogeld!3 Man fasst sich an den Kopf.
Doch die nüchterne Wahrheit ist: Die Antifa ist keine zentral organisierte Organisation mit Lohnabteilung und Tarifvertrag. Es gibt keine Gehaltsabrechnungen, keine Weihnachtsgeld-Sonderzahlungen für besonders lautes "Nazis raus"-Rufen10. Die "Omas gegen Rechts" betonen: "Wir engagieren uns ehrenamtlich und finanzieren unsere Aktivitäten aus eigenen Mitteln."11 Was für eine Enttäuschung für alle, die vom lukrativen Karriereweg "professioneller Antifaschist" geträumt haben!
Die Strategie hinter der Lüge: Wenn man keine Argumente hat, erfindet man eben welche
Warum behaupten Rechte, dass Demonstranten bezahlt werden? Weil sie nicht akzeptieren können, dass Menschen freiwillig und aus Überzeugung gegen ihre menschenverachtende Ideologie auf die Straße gehen. Es ist die verzweifelte Strategie derer, die nicht wahrhaben wollen, dass ihre Positionen von der Mehrheit der Menschen abgelehnt werden.
Die "Bezahlte Demonstranten"-Verschwörung dient einem klaren Zweck: legitimen Protest zu delegitimieren. Denn wenn du nicht argumentativ gegen tausende Demonstrierende ankommst, behaupte einfach, sie seien gekauft! Problem gelöst, Hirn ausgeschaltet.
Diese Strategie reiht sich ein in das Arsenal rechter Manipulationstechniken: Erst werden Fake News verbreitet, dann auf die "Lügenpresse" geschimpft, die diese "Wahrheiten" angeblich verschweigt5. Wenn tausende Menschen dagegen protestieren, werden sie als "bezahlte Demonstranten" abgetan. Ein perfekter Teufelskreis aus Realitätsverweigerung.
Besonders perfide wird es, wenn diese Verschwörungsmythen den Weg in parlamentarische Anfragen finden. Die Union stellte Anfang 2025 eine Anfrage zur Finanzierung von NGOs, die zu Anti-Rechts-Demos aufgerufen hatten – mit satten 551 Fragen!8 Die Linke im Bundestag nannte das treffend einen "Frontalangriff auf die demokratische Zivilgesellschaft". Das ist keine parlamentarische Kontrolle mehr, sondern der Versuch, kritische Stimmen mundtot zu machen.
Fazit: Der Glaube an die "bezahlte Antifa" ist das Eingeständnis politischer Impotenz
Die rechte Mär vom "Demogeld" ist nicht nur falsch – sie ist ein Armutszeugnis für jeden, der daran glaubt. Denn wenn man nur noch mit Verschwörungstheorien erklären kann, warum Menschen gegen einen demonstrieren, hat man die demokratische Debatte bereits verloren.
In Wahrheit engagieren sich tausende Menschen ehrenamtlich gegen Rechtsextremismus – nicht weil sie dafür bezahlt werden, sondern weil sie in einer Gesellschaft leben wollen, in der Menschenwürde und Demokratie nicht verhandelbar sind12. Und das ist etwas, was Rechte mit ihrem Marktlogik-verseuchten Denken nicht begreifen können: Dass es Dinge gibt, die wichtiger sind als Geld.
Also liebe AfD, liebe rechte Verschwörungsideologen: Nein, wir werden nicht bezahlt. Wir demonstrieren gegen euch, weil wir eure menschenverachtende Politik scheiße finden. Und das völlig kostenlos, aus tiefster Überzeugung.
Der Kapitalismus zerstört alles – aber hey, immerhin gibt's billige Burger.
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Quellen:
- https://vorwaerts.de/bnr/warum-die-afd-immer-noch-bezahlte-demonstranten-glaubt
- https://correctiv.org/faktencheck/2024/01/30/taz-artikel-ueber-demogeld-fuer-antifas-ist-satire/
- https://dpa-factchecking.com/germany/250120-99-643883/
- https://fragdenstaat.de/anfrage/finanzierung-von-antifa-gruppen/
- https://www.tagesschau.de/faktenfinder/minneapolis-usa-geruechte-fakes-101.html
- https://www.fr.de/politik/stundenlohn-fuers-steinewerfen-11114975.html
- https://www.merkur.de/politik/demogeld-fuer-antifa-steckt-hinter-geruechten-zr-8511815.html
- https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/union-anfrage-organisationen-102.html
- https://www.derwesten.de/politik/bezahlt-anti-afd-protest-cdu-demo-geld-rechtsruck-id301366933.html
- https://steadyhq.com/en/mimikama-direkt/posts/5fa5f898-b389-45b1-9537-11f7ef0dfec8
- https://omasgegenrechts-nord.de/2025/02/11/bundesweit-oma-finanzierung-die-fakten/
- https://www.rosalux.de/news/id/53159/wie-weiter-mit-den-protesten-gegen-rechts